Derzeit sind Investoren, die Klimarisiken in ihrer Assetallokation berücksichtigen, noch Mangelware. Die Frage ist: Warum sollte man sich – auch wenn es derzeit noch nicht rechtlich oder regulatorisch verpflichtend ist – schon jetzt mit Klimarisiken im Portfolio beschäftigen?
Bereits 2016 hat Mercer, gemeinsam mit dem Center for International Environmental Law (CIEL), den Bericht „Trillion Dollar Transformation“ über die finanziellen und rechtlichen Risiken für Pensionskassen im Zusammenhang mit dem Klimawandel erstellt. Aus den Ergebnissen ergeben sich für mich folgende Kernaussagen:
- Die im Bericht verwendeten Modellszenarien zeigen, dass der Klimawandel direkte Auswirkungen auf die Ertragserwartungen von Investments haben wird. Investoren werden diese als weitere Variable in der Performance berücksichtigen müssen.
- Die Auswirkungen auf einzelne Sektoren werden eine zentrale Rolle spielen. Je nach Branche variieren die Gewinn- und Verlusterwartungen deutlich. Betrachtet man beispielsweise einen Anlagezeitraum von 35 Jahren, muss man im Sektor der fossilen Rohstoffe von Verlusten von bis zu 75 Prozent ausgehen, während im Bereich erneuerbare Energien ein Gewinn von 54 Prozent erwartet werden kann.
- Regionale Aktienerträge variieren, je nachdem welches Klimamodell-Szenario man zugrunde legt: Ein 2°C-Szenario wirkt sich beispielsweise positiv auf Emerging-Markets-Aktien aus, während ein 4°C-Szenario negative Folgen für diese Märkte aufweist.
- Das 2°C-Szenario muss – betrachtet bis 2050 – nicht zwangsweise negative Ertragsauswirkungen auf Gesamtportfolien haben. Die Erwartung geht dahin, dass die langfristigen Erträge durch die Integration der Klimarisiken besser geschützt werden.
Von der Wissenschaft in das Bewusstsein von Politik und Finanzwelt
Die „Trillion Dollar Transformation“ ist nur einer von vielen Berichten, die sich mit dem Thema befassen. Dabei weisen die unterschiedlichen Untersuchungen weitgehend das gleiche Ergebnis auf: Je eher Investoren sich mit dem Klimarisiko auseinandersetzen und dieses in Investmentüberlegungen integrieren, umso besser werden sie sich vor möglichen negativen Folgen schützen können.
Das Thema Klimawandel per se ist ja nicht neu. Seit Jahrzehnten weisen etliche Wissenschaftler auf die damit verbundenen Risiken hin. Seit dem Pariser Abkommen im Dezember 2015, bei dem 195 Länder ein weltweites und rechtsverbindliches Klimaschutzübereinkommen vereinbart haben, ist die Bedeutung des Klimawandels auch verstärkt in den Fokus von Politik und Wirtschaft gerückt. Politiker, Ökonomen und Regulatoren arbeiten an gemeinsamen Maßnahmen, die schnell umgesetzt werden sollen. Im Dezember 2016 etablierte die Europäische Kommission (EK) beispielsweise die High-Level Expert Group on Sustainable Finance (HLEG), um eine Strategie zur Integration von Nachhaltigkeit in der Europäischen Finanzpolitik zu erarbeiten.
Darüber hinaus veröffentlichte die Task Force on Climate-related Financial Disclosures (TCFD) am 26. September 2018 ihren ersten Bericht mit Empfehlungen zur Integration von Klimarisiken in der Finanzberichterstattung. Mitte Februar 2019 teilte UNPRI - die Organisation der UNO, die Prinzipien für verantwortliches Investieren erstellt hat - mit, dass die TCFD-Empfehlungen für die PRI-Signatoren aufgenommen werden.
Ich könnte an dieser Stelle noch weitere Entwicklungen nennen, die die zunehmende Relevanz des Themas verdeutlichen. Dazu vielleicht an anderer Stelle noch einmal mehr. Letztlich bleibt es jedem Investor selbst überlassen, wie gut er oder sie sich auf die Folgen des Klimawandels vorbereitet und ob man anhand der Risiken neue Opportunitäten entwickelt und auf die Zukunft ausrichtet. Wie schon A. Huxley einst sagte: „Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert.“ Der Klimawandel ist real und die Anstrengungen der Europäischen Kommission, das Pariser Abkommen umzusetzen, zeigen, wie ernst man das Thema nimmt. Betrachtet man dann noch die Erwartungshaltung diverser Stakeholder, die zunehmend ein Bewusstsein für Nachhaltigkeit entwickeln, sollten sich Investoren meiner Meinung nach zumindest einmal mit dem Thema befassen.